Verdingkinder
Das Verdingwesen war in der Schweiz bis in die 1960er-Jahre verbreitet. Hunderttausende Kinder sollen davon betroffen gewesen sein.
Verdingkinder, meistens uneheliche oder Waisen-und Scheidungskinder, wurden zwischen 1800 und 1950 von den Behörden den Eltern weggenommen und Interessierten öffentlich feilgeboten. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Kinder oft auf einem Verdingmarkt versteigert. Den Zuspruch bekam jene Familie, welche am wenigsten Kostgeld verlangte. In einigen politischen Gemeinden soll diese Praxis noch nach 1950 üblich gewesen sein. Betroffene beschreiben, dass sie auf solchen Märkten „wie Vieh abgetastet wurden“. In anderen Gemeinden wurden sie wohlhabenderen Familien durch Losentscheid zugeteilt. Zugeloste Familien wurden gezwungen, solche Kinder aufzunehmen, auch wenn sie eigentlich gar keine wollten.
Sie wurden meistens auf Bauernhöfen wie Leibeigene für Zwangsarbeit eingesetzt, meist ohne Lohn und Taschengeld. Nach Augenzeugenberichten wurden sie häufig ausgebeutet, erniedrigt oder gar vergewaltigt. Einige fanden dabei den Tod.
Misshandlungen wurden nur sehr selten verfolgt. Wenn solche behördlich festgestellt wurden, wurde den Pflegeeltern das Recht, neue Verdingkinder zu „erwerben“, für mindestens fünf Jahre entzogen.
de.wikipedia.org
Ausstellung – „Verdingkinder reden – Enfances volées“
Diese Ausstellung will ein dunkles Kapitel der Schweizer Geschichte vor dem Vergessen bewahren. Sie lässt ehemalige Verding- und Heimkinder aus der Deutschschweiz und der Romandie zu Wort kommen. In Tondokumenten berichten sie über ihr Leben und den Umgang mit ihren Erinnerungen. Die Hörbeispiele wurden aus 300 Interviews ausgewählt. Weitere Informationen ergänzen die Ausstellung, die seit 2009 bereits an sechs verschiedenen Standorten zu sehen war. Die Wanderausstellung ist vom 8.November 2011 bis zum 1.April 2012 im Schulhaus Kern im Zürcher Kreis 4 zu sehen.
Film – „Der Verdingbub“
basierend auf 100‘000 wahren Geschichten. Ein Film von Markus Imboden
Buch
Lotti Wohlwend, Arthur Honegger: Gestohlene Seelen. Verdingkinder in der Schweiz, 4. Auflage. Huber, Frauenfeld 2006 (Erstausgabe 2004), ISBN 978-3-7193-1365-4 (Ebenfalls im Weltbild-Verlag erschienen, Infos zum Buch unterhttp://www.verdingkind.ch)
Fremdplatzierungen heute – Fachleute kritisieren fehlende Kontrolle
Wie viele Kinder heute bei einer Pflegefamilie oder in einem Heim aufwachsen, kann man nicht sagen – die Zahlen werden nicht erhoben. Über eine Fremdplatzierung befindet die Vormundschaftsbehörde, die sich aus politischen Laien zusammensetzt. MIt dem neuen Kindes- und Erwachsenenschutzgesetz wird sie ab 2013 neu eine Fachbehörde. Ihr gehören zwingend ein Jurist, ein Psychologe oder Pädagoge und ein Sozialarbeiter an. „Diese Professionalisierung ist ein Schritt in die Richtige Richtung“ – sagt Mirjam Aebischer vom Fachverband Sozial- und Sonderpädagogik Integras.
Besorgt zeigt sich Aebischer darüber, dass viele Gemeinden die Fremdplatzierungen an private Organisationen delegieren, die damit Geld verdienen. Auch die Begleitung der Pflegefamilie ist in solchen Fällen Sache der Vermittlungsorganisation, die nicht kontrolliert wird. „Es besteht das Risiko, in ein modernes Verdingkindwesen abzurutschen.“
Bei der Entscheidung, ob ein Kind besser in einem Heim oder einer Pflegefamilie aufwächst, wird laut Aebischer zu wenig auf die Bedürfnisse des Kindes geschaut. Weil eine Pflegefamilie weniger kostet als ein Heimplatz, würden auch Kinder, die in einer grösseren Gemeinschaft besser aufgehoben wären, bei Pflegefamilien untergebracht….
www.verdingkinderreden.ch
TA, Sa 5.11.2011, – Zürich