In diesem Kontext sollte man den grossen polnischen Chemiker, Arzt und Biologen Jędrzej Śniadecki (1768-1838), geboren in Rydlew nahe Żnin (Kujawy), an den Universitäten in Krakau, Padua (Italien), Edinburgh (Schottland) und Wien (Österreich) gebildet, erwähnen.

Nach dem Studienabschluss kehrt er nach Polen zurück und  wird 1797 Leiter des Chemie-Lehrstuhls an der Universität in Vilnius (heute Litauen), seine Forschungsarbeiten weiterführend. Schon im Jahr 1800 publiziert er das Handbuch „ Die Anfänge der Chemie“ auf Polnisch. Bereits 1807 und 1816 folgen die Neuauflagen. Dieses Handbuch enthält umfassende Informationen aus dem Bereich der organischen und nichtorganischen Chemie, den damaligen Wissensstand in Europa widerspiegelnd.

In dieser Zeit der intensiven Entwicklung der chemischen Wissenschaften, wurden 1789 und 1787 in Paris zwei wichtige Bücher:  „Traité de chimie“- Antoine- Laurent de Lavoisier und „Méthode de nomenclature chimique“- L.B Guyton de Morveau, C.L. Berthollet, A.F de Fourcroy und A.L de Lavoisier  herausgegeben.

Es folgen die Entdeckungen vielen chemischen Elemente. Das wichtige Ausgangsmaterial für einige davon war das aus Südamerika stammende rohe Platinerz. Smithson Tennant und Wiliam Wollaston aus London haben daraus (1803-1804) vier bis dato unbekannten Elemente isoliert und sie: Iridium, Osmium, Palladium und Rhodium genannt. Ähnliche Versuche in Paris blieben erfolglos.

Jędrzej Śniadecki zwischen 1806-1808 in die Forschung über Rohplatin engagiert, hat in Vilnius auf Polnisch ein Bericht unter dem Titel „Abhandlung über das neue im Rohplatin entdeckte Metall“ publiziert und gleichzeitig an der Universität in Vilnius einen Vortrag darüber gehalten. In dieser Arbeit hat er die Experimente der beiden englischen Chemiker, sowie der Chemiker aus Paris wiederholt und erneut vier von den englischen Forschern beschriebene Elemente aus dem Platinerz isoliert. Allerdings hat er dabei noch ein weiteres Element, das er in Würdigung der Entdeckung des Asteroid Vestia (im Jahr 1807) – Vestium nannte, entdeckt. Die bedeutende Schlussfolgerung der Arbeit von Śniadecki war die Feststellung, dass das früher extrahierte Platin, kein reines, metallisches Element war, denn auch nach der Isolierung des Iridium, Osmium, Palladium und Rhodium aus dem Platinerz blieb noch ein Gemisch von Platin und einem anderen neuen Metall – eben Vestium als Begleitstoff erhalten.

Jędrzej Śniadecki hat die Ergebnisse seiner Forschung für genügend signifikant gefunden um die europäischen Chemiker darüber zu informieren. (-….) Sein älterer Bruder Jan Śniadecki(1756-1830) – Rektor der Universität in Vilnius, international bekannter Mathematiker und Astronom (ausgebildet durch den namhaften Mathematiker Jean Antoine Joseph Cousin (1735-1800) und den Jean Baptiste le Rond d¢Alembert (1717-1783), sowie den grossen Dichter l¢Abbé Jacques Delille (1738-1813)), hat ihn bei diesem Unterfangen unterstützt. Jan bereiste die ganze Europa, war sehr an Naturwissenschaften, einschliesslich Chemie interessiert und wurde 1808 zum korrespondierenden Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Petersburg gewählt. Als aktives Mitglied von „Komisja Edukacji Narodowej“, arbeitete er als Mathematik -, und Astronomie – Professor an der Universität Krakau. Jan Śniadecki hat die Sternwarte an dieser Universität gegründet und wurde zugleich ihr Direktor (1792-1803). Zwischen 1807-1815, als Rektor der Universität in Vilnius, hat er unter anderen sehr rege mit Prinz Adam Jerzy Czartoryski dem Aussenminister des Zaren Alexander I in Petersburg  und dem späterem Bildungskurator des Distrikts Vilnius korrespondiert. Die Ergebnisse seiner Arbeiten im Bereich der Astronomie hat er in Warschau, Petersburg und Berlin publiziert.

Jędrzej, der in seiner Karriere von Bruder unterstützt wurde, zeigte schon sehr früh seine grosse Lernfähigkeit und Begabung. Als Schüler des Gymnasiums „Nowodworek“ in Krakau erhielt er vom König Stanislaus August Poniatowski eine goldene Medaille für hervorragende Lernerfolge.

Die Brüder stammten aus einer wohlhabenden adligen Familie. Zum Familienvermögen gehörte nebst den zahlreichen Palästen auch eine Brauerei.

Jan hatte die Entdeckungen seines Bruders in Westeuropa bekannt gemacht. Als am 11.07.1808 das Französische Institut in Paris  die Annahme der Mitteilung über die astronomischen Beobachtungen vom Jan Śniadecki  bestätigte, hat Professor  Jean Baptiste Joseph Delambre (1749-1822 während einer Sitzung des Instituts zu gleicher Zeit die Anwesenden über den Rapport von Jędrzej Śniadecki, der die Entdeckung des Vestium beinhaltete, informiert. Eine Woche später am 18.07.1808, auf einem Treffen  der ausserordentlichen Kommission, bestehend aus vier aufstrebenden Pariser Chemiker: Claude Louis Berthollet (1748-1822), Antoine-François hrabia de Fourcroy (1755-1809), Louis – Bernard Guyton de Morveau (1737-1816) und Louis Nicolas Vauquelin (1763-1829) wurde dieses Rapport gelesen und die Aufgabe, Experimente von Jędrzej Śniadecki  zu wiederholen um die Korrektheit seiner Entdeckung zu beurteilen, festgelegt.

Der Pariser Magazin  Journal de Physique, de Chemie, d¢Histoire Naturelle et des Arts, hat in der Ausgabe aus Juli 1808 auf der Seite 71 kurz davon berichtet.

ANMERKUNG

Über Vestium,  dem neuem Element, der  in der Platin entdeckt worden ist.

Die deutsche Presse berichtet, dass ein Chemiker ein neues Element in dem granulierten Platin entdeckt hat. Er hat es Vestium im Andenken an Vesta, den  Planet, der von Olbers zuletzt entdeckt worden ist, genannt. Letzendlich enthält der Platin-Granulat: 1. Platin, 2. Palladium, 3. Rhodium, 4. Osmium, 5.Iridium, 6. Vestium. Ausserdem kann man auch: Gold, Eisen, Kupfer, Titan…. daraus  extrahieren

Leider in den Rapporten des Französischen Instituts nimmt man dieses Thema nicht mehr auf, ausser einer kurzen Notiz (Januar-Ausgabe 1809 auf der Seite 29), die berichtet, dass es unmöglich war, den Experiment der zur Entdeckung von Vestium führte zu wiederholen, und dass die Notwendigkeit einer  weiteren  Forschung auf diesem Gebiet bestünde.

 

MINERALOGIE

Über Vestium.

Bezieht sich auf die Namensgebung des neuen Metall, der aus dem Platin-Granulat angeblich extrahiert worden ist. Allerdings hat man die Experimente  bisher nicht mehr wiederholt, weswegen man die Ergebnisse der weiteren Forschungen abwarten muss.

Die oben genannte Zeitschrift, die wissenschaftliche Übersichte publizierte, gegründet 1770, wurde von Jean-Claude Delamétherie (Naturforscher, Geologe und Mineraloge, der die Französische Revolution unterstützte) herausgegeben.

Interessanteweise ist  eine abgekürzte Fassung von  Jędrzej  Śniadecki- Rapport (in russischer Übersetzung) in einem populärwissenschaftlichen Magazin „Tekhnologiczeskij Żurnal“ in Petersburg erschienen (in der letzten von vier Ausgaben  im Jahre 1809). Dieser Artikel ist weder widerrufen worden, noch hat er irgendwelche Diskussionen verursacht.(…..)

Am 2.08.1808  konnte die Gemeinde in Warschau auf der  Titelseite von „Dodatek do Gazety Warszawskiej“ Ad Nrum  62,  in einem Artikel unter dem Titel: „Z Wilna: 14 lipca“  von dieser Entdeckung erfahren. (Kopie)

Pan Jędrzey Śniadecki, Professor medycyny i chemii w Uniwersytecie tuteyszym pracując przez 6 przeszło miesięcy nad dokładną analizą Platyny surowey, dla oddzielenia wszystkich metallów, które chimicy w proszku Platyny znaleźli i poznania ich charaktrów, odkryl w teyże Platynie ieszcze ieden metal od nikogo nie postrzeżony, który od nowo wynalezionego Planety Vesta nazwal Vestium, to więc, co dotąd Chimicy mieli za Platynę czystą, Professor Chimii w Wilnie pokazał, że to jest kompozycya z dwóch oddzielnych i różnych metallów, to jest Platyny i Vestu, których własności charakterystyczne determinował, tak, iż on pierwszy i nowy metal Vestium pokazał i opisał. Ważny ten wynalazek w przeszłym miesiącu, kommunikowany został Instytutowi Narodowemu w Paryżu i Akademii nauk Peterzburgskiey. Historyą zaś całych swoich robót zawierającą bardzo wie-le nowych faktów dotąd w Chimii nieznanych, czytał tenże Autor w rozprawie swoiey na posiedzeniu publicznym Uniwersytetu 28 Czerwca V.S. przy zamknięciu kursów lekcyi publicznych i rozpoczęciu wakacyi. Ta rozprawa jest w druku i skoro wyjdzie na iaw, będzie posłana Towarzystwu Warszawskiemu przyjaciół nauk. (…..)

Ein Rapport (mit 27 Seiten Umfang) ist im Vilnius durch Józef Zawadzki, den Universitäts-Drucker veröffentlicht worden. Die Titelseite ist nicht datiert, berichtet aber über die Stellung des Autors als „Philosophie- und Medizin-Doktor, Ordentlicher und Offizieller Chemie – Professor an der Königlichen Universität in Vilnius, Mitglied der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften in Warschau, sowie des Medizinvereins in Vilnius“. Es wird erwähnt, dass dieser Rapport auf „einer öffentlichen Versammlung der Königlichen Universität in Vilnius“ am 28.06 1808 (gemäss dem in Russland üblichen Julianischen Kalender), was im gregorianischen Kalender entspreche dies dem 10.07.1808., vorgestellt wurde.

(-)QUINTESSENZ:

Wie bereits erwähnt, die prominenten französischen  Chemiker: Vauquelin, Fourcroy oder Hippolyte-Victor Collet-Descotils (1773-1817) waren mit den englischen Chemikern im ständigen Wettbewerb um die Entdeckung der neuen Elemente im Roh-Platin. Die Briten haben ihn gewonnen. Deshalb in dieser Situation  wäre es  schwer zu glauben, dass  die französischen Chemiker nicht imstande waren die Jędrzej Śniadecki’s – Entdeckung vorbehaltlos zu akzeptieren, da sie selbst doch erfolglos geblieben sind. Anhand der vorhandenen Rapporte, war es dem Jędrzej Śniadecki sehr wohl bewusst, was die Briten und Franzosen in diesem Bereich unternommen haben. Am Anfang des eigenen Rapports, zitiert er die Namen der Forscher und die Ergebnisse derer Analysen. In einer der französischen Arbeiten findet sich die Bemerkung über die Isolation  der roten nicht identifizierbaren Kristalle. Jędrzej Śniadecki beschreibt in seiner Veröffentlichung  das Vestium-Chlorid, das rote Kristalle bildet. Auf mutige Weise informiert er über die eigene Entdeckung des neuen Elements, und noch mehr –übergibt seine Erkenntnisse den Pariser Chemikern, um die Vergleiche durchführen zu lassen.

Bei der Analyse des Roh-Platins, identifiziert Śniadecki das Palladium, das bereits 1803 von Wollaston isoliert wurde. Die von ihm beschriebenen Palladiumeigenschaften decken sich überein mit den Daten  von Wollaston. Das ist der Beweis dafür, dass Jędrzej Śniadecki der erste Pole und der erste polnische Wissenschaftler ist, der diesen wichtigen Metall erforschte, und ihn sogar wörtlich „in eigenen Händen hielt“. Zwei hundert und zwei Jahre später haben drei Chemiker den Nobelpreis bekommen, für die Forschung über katalytischen Eigenschaften dieses Metalls in der Synthese von vielen relevanten chemischen Verbindungen, Medikamente eingeschlossen.

Man weiss es nicht genau, woher das  von Śniadecki untersuchte Roh-Platin stammte. Wahrscheinlich ähnlich wie bei den englischen und französischen Forschern wurde es aus Südamerika (Peru) transportiert. Die napoleonischen Kriege, die  auch auf den Weltozeanen und in den Übersee-Kolonien gefochten wurden, haben die Transporte nach Europa behindert. Deshalb blieb die Forschung über das Roh-Platin unterbrochen bis zur Entdeckung von Platinerz im Ost-Ural in Russland (1819-1820). Ab diesem Moment hat man mit  der kommerziellen Platinproduktion für die Schmuck-Industrie und zeitweise sogar für die Prägung der Münzen begonnen. Dieses Erzvorkommen und vielmehr seine Abfallprodukte haben zwei deutschstämmigen Forschern: Gottfried Osnann (1796-1866) Mitarbeiter der Universitäten in Tart (früher Dorpat) und in Würzburg/Deutschland, sowie Carl Ernst Claus (1796- 1894) aus Tart, der auf der Universität in Kazan/Russland arbeitete, untersucht. Diese Forscher konnten ein neues Element, das sie Ruthenium tauften, zur Erinnerung an das alte Russland (lateinisch- Ruthenia), isolieren. Osnann hat seine Forschungsarbeit 1828, und Claus – 1844 beendet. Der zweite von den beiden Chemikern, hat ein Paar Gramm des Rhutenium isoliert, dann untersuchte er seine chemischen Eigenschaften und bestimmte die Atommasse. Sehr wahrscheinlich Vestium und Ruthenium – sind Bezeichnungen für das gleiche Element.

Die enge Zusammenarbeit der beiden Brüder Śniadecki wird noch durch eine andere Tatsache bewiesen. Im Jahr 1803 haben zwei schwedischen Chemiker: Wilhelm Hisinger (1766-1852) und Jöns Jacob Berzelius (1779-1848) ein neues Element zu Ehren des Asteroid  Ceres (entdeckt am 1.01.1801) –  Cer  genannt. Wollaston hat sein Palladium wegen dem Asteroid Pallas (entdeckt ein Jahr früher) genannt. Jan Śniadecki war neben dem deutschen Physiker und Astronom Heinrich Wilhelm Olbers (1758- 1840) der Mitentdecker des Asteroid Vesta (1802) und sein Bruder: Jędrzej Śniadecki  hat seinen Metall aus ähnlichen Gründen wie oben erwähnte Forscher, Vestium getauft. Auf diese  Weise wurde die Zusammenarbeit der Gebrüder Śniadecki durch das Verbinden der Früchte ihrer Leistungen in Astronomie und Chemie verewigt.