Tonhalle, Zürich – Der Pianist Krystian Zimerman ist einer der grossen Rätselhaften des Musikbetriebs. Er erinnert an Melvilles Romanfigur Bartleby, der jedes Ansinnen mit einem „I would prefer not to“ zurückweist. Konzerte gibt er selten, verweigert sich immer wieder für längere Zeit dem Publikum und dem CD – Markt. Von seinem Repertoire heisst es, er spiele davon nur zehn Prozent öffentlich, und davon wiederum nur zehn Prozent auf CD ein – vorausgesetzt, man rechnet grosszügig Kurzum: Der Pole macht nur das, womit er sich völlig identifizieren kann.
In Witold Lutoslawskis Klavierkonzert ist eine solche Identifikation in jedem Ton spürbar (nicht zuletzt, weil Zimerman der Widmungsträger dieses Spätwerks ist und ihn eine tiefe Freundschaft mit dem Komponisten verband). Zimermans Spiel hat hier etwas vollendet Dinstinguiertes, eine fast unheimliche Genauigkeit der Erzählens. In keinem Takt ist der Pole ein Salonkuschler oder ein geschmeidiger Lieferant einer pathosgetränkten Poesie. Vielmehr herrscht da eine wunderbare Deutlichkeit. Wenn er etwa den Klang der Hörner des Tonhalle-Orchesters aufnimmt, dann klingt es tatsächlich, als würde ein Horn aus dem Klavier herausschallen. Und auch die horrende Verfolgungsjagd im zweiten Satz mit ihren schwirrenden Klangkaskaden gerät ihm wild und eruptiv, aber immer kristallin funkelnd.
Das Wunderbare daran. Er forciert nicht. Er schwebt. Nicht über den Dingen. Sondern in ihnen. Und dies gleichzeitig in unvorstellbarer Transparenz und genau solcher Fasslichkeit. ……..
(Tom Hellat, TA 8.02.2013)
Lutosławski – der «Seelenfischer»
Krystian Zimerman spielt sein Klavierkonzert
Es ist ein Spätwerk des Komponisten. Es blickt zurück auf das eigene Schaffen und auf die Tradition der er entstammt. In seiner Jugend war er beeindruckt von der in sein Jahrhundert hinüber geschwappten Spätromantik. Er hat sich, wie der von ihm verehrte Bela Bartók, mit der Volksmusik seines Landes auseinandergesetzt, schien eine Zeitlang beeindruckt von seriellen Techniken und hat vor allem Spass an scheinbaren, dem Zufall geschuldeten – Aleatorik genannten – Improvisationen gehabt. Aber, es ist auch ein Klavierkonzert in der Tradition der grossen Klavierkonzerte.
Es scheut die virtuose Pranke nicht. Lutosławski konnte getrost, auch technisch anspruchsvoll komponieren. Bei jedem Takt hatte er Krystian Zimerman vor Augen und Ohren, dem er technisch und musikalisch alles zutrauen konnte. Es ist ein Konzert von einer ungeheuren Weite des musikalischen Ausdrucks, aber auch des Ausblicks in eine Musikwelt, die Werke entstehen lässt, die Bezug nehmen auf das was war, die mutig Neues und Experimentelles wagen, aber dabei nie den Musikhörer aus dem Auge verlieren, der ungeübt aber neugierig sich an den neuen Klängen freut. Was ist sein Geheimnis? Für Lutosławski ist «Musik der aufrichtige und ehrliche Ausdruck dessen, was man anderen Mensc hen an Eigenem zu sagen hat». Er sah in der Tätigkeit des Komponierens ein Suchen nach Mitmenschen, die bereit waren seine Gedanken und Gefühle mit ihm zu teilen. «Komponieren ist ein Fischen nach Seelen» sagte er einmal. Er war in der Tat ein Komponist, der seine zuhörende Umwelt nicht im Stich gelassen hat.
(Publikation TOZ)